Hallo zusammen,
wir haben es geschafft und waren an Wochenende im Eatrenalin! Wie angekündigt möchte ich gerne meine total subjektiven Eindrücke schildern. Der Bericht ist nicht spoilerfrei. Ich werde aber versuchen nicht in die Tiefe zu gehen. Außerdem bin ich in all den kommenden Themen in erster Linie leider Laie und gebe nur meine Meinung zum Besten, also seht mir nach, wenn es in euren Augen nicht auf den Punkt trifft. Los geht’s:
Da viel spekuliert wird, wieviele Räume es gibt und welche Techniken verwendet werden, zuerst mal kurz das Setting und der Versuch ein kleines Vokabular an die Hand zu geben:
Die Experience ist aufgeteilt in eine Ankunfts-Lounge, den eigentlichen Hauptteil und eine Chillout-Lounge. Der Hauptteil ist aufgeteilt in 5 Haupträume und 4 Nebenräume (Hauptraum und Nebenraum bezieht sich hierbei auf die Aufenthaltsdauer und Wichtigkeit für die Essensabfolge – nicht auf die Thematisierung oder die technische Qualität):
Es beginnt mit dem Nebenraum 1 der „Reinigung“, gefolgt vom Nebenraum 2 dem „Start“. Danach geht es weiter in den ersten Hauptraum „Meer“, dann in den 2. Hauptraum „4 Sinne“ und schließlich in den 3. Hauptraum „Umami“. Jetzt beginnt eine zusammenhängende Reise im Nebenraum 3 „Abreise“, man gelangt in den Hauptraum 4 „Ankunft“ und schließlich in den Hauptraum 5 „Abschluss“ bevor es über den Nebenraum 4 „Rückkehr“ in die Chillout-Lounge geht.
Die Räume im Einzelnen möchte ich aber gar nicht weiter beleuchten. Wenn aber Einzelbereiche angesprochen werden, können sie so grob verortet werden. Nachdem ich mit dem Schreiben des Textes fertig war, habe ich auch festgestellt, dass es doch eine eher detailverliebte Kritik geworden ist, als dass das Erlebnis genauer beleuchtet worden wäre. Sollte ich dafür noch was nachreichen, gebt bitte Bescheid.
Soviel vorweg zu der folgenden Kritik: Wir haben in unserer Gruppe sehr kontrovers über unseren Abend diskutiert und die Meinungen gingen teils weit auseineinader und waren überraschend emotional – ich glaube das hat sonst noch keine (wenn man es so nennen will) Attraktion geschafft: Hauptthemen waren die aufgebaute Erwartung mit dem Namen „Eatrenalin“, das Preis-Leistungs-Verhältnis, „Technik vs. Geschmackerlebnis“, „Trend vs. Perfektion“ etc.
Über alle Zweifel erhaben ist bei allen: Hauptakteur „Essen“, oder besser, der Geschmack in all seinen Ausprägungen. Das wird kulinarisch bestens umgesetzt – Hut ab. Von der Präsentation über die Darreichungsform bis zum Geschirr aber auch die Materialien, die der Gast berührt (Tische, Gläser...): Alles ist mit Bedacht gewählt und sehr wertig.
Die Technik - ein Akteur, der im Sinne des Erlebnisses im Hintergrund stehen sollte - ist in meinen Augen sehr hochwertig umgesetzt (tolle Fortbewegung, überzeugende Screens, stimmungsvolles Ambiente). Und solange man bei den benannten Techniken bleibt ist es auch absolut State-of-the-Art. Aber wenn man über den vorhandenen Tellerrand schielt (was hier im Forum natürlich eine berechtigte Perpektive ist), gibt es durchaus technisch ausgefeiltere Lösungen, um z.B. die Reise in die Erdumlaufbahn (hier im Nebenraum 3) auf ein Restaurant zu simulieren (namentlich als Referenz hier das Restaurant Space 220). Beim „Space 220“ ist genau der Aspekt der Reise ein wesentliche Aufhänger für das Restaurant und damit ist auch dieser bis ins kleinste durchdekliniert. Die technische Umsetzung ist dort wesentlich immersiver. Hier im Eatrenalin ist die Reise meiner Meinung nach nur ein Nebenaspekt, die durchaus überzeugt, aber bei Weitem nicht mit diesem Vorbild mithalten kann. (Dafür geht in Sachen Kulinarik der Punkt eindeutig an das Eatrenalin).
Hauptakteure sind aus Sicht des Herstellers aber auch die Stühle. Sind sie auch und sie erledigen Ihre Arbeit mit Bravour - meiner Meinung nach sollten sie aber bei aller Innovation trotzdem einfach nur Mittel zum Zweck sein. Sie werden aber zu Beginn theatralisch in den Fokus gerückt – ich hoffe das ist nur die erste Zeit so und wird bald stark reduziert.
Ganz wichtige Erkenntnis ist also meiner Meinung nach, dass der Fokus auf dem „Eat“ liegt. Um so mehr ich darüber nachdenke, um so unpassender ist der Rest des Namens, da es hier auch im ganzen Story-Telling eher um ein bewusstes Entschleunigen und Schärfen der Sinne gehen soll. Also bitte das Adrenalin z.B. in den nebenan vorhandenen Attraktionen anfachen und hier einen Gang runter schalten.
Zur Story: Zu Essen eine Geschichte zu erzählen ist sicher nicht das Einfachste, aber sie wird erzählt. Auch wird eine Spannungskurve eingebaut (wo wir dann doch wieder ein Stückweit beim „Adrenalin“ wären). Größter Kritikpunkt war bei uns einhellig, dass von einer „Künstlichen Intelligenz“ geredet wird, die allerdings in Wirklichkeit ein fester Plot ist. Wäre am Anfang nicht von einer „Künstlichen Intelligenz“ die Rede gewesen, sondern z.B. nur von einem „Reisebgleiter“ wäre ein sehr großes Diskussionsthema bei uns gar nicht erst aufgekommen. Es gibt im Freizeitparkbereich durchaus Experimente mit KI (z.B. D3-09, dem AI-Droid auf dem „Galactic Star Cruiser“). Wenn man in diesen Tagen so etwas in den Mund nimmt, sollte es Substanz haben. Besonders, wenn man hier ein sehr hochwertiges Genusserlebnis anbietet. Denn z.B. bei einem guten Wein will von der Gechichte des Winzers, über die Anbaupraktiken bis zum Etikett alles authentisch sein. Wenn aber hier bei Eatrenalin Dinge zu sehr aufgesetzt sind, kratzt das an einer Seite des Gesamterlebnisses.
Die Aufenthaltsdauer und Zeitliche Aspekte: Wenn wir durch die Piraten von Batavia fahren sind wir um die 8 Minuten unterwegs und haben wenig Zeit die 1.000 Eindrücke zu verarbeiten. Hier geht es um nahezu 2 Stunden und alles kann sehr viel genauer betrachtet werden. Dass dadurch der Blick auch an Türen, dem Bodenbelag oder Projektoren hängen bleiben kann, ist uns allen überraschenderweise nicht negativ aufgefallen. Auf Fotos der Räume die abgelichtet werden dürfen, sehen siese meistens weitaus banaler aus, wie sie vor Ort wirken. Die übrigen Eindrücke und (auch hier wieder) das Essen sind stark genug. Es gab aber im Zusammenspiel der Elemente (erzählte Geschichte, Personal, filmische Elemente und Essen) immer wieder Unklarheiten zwischen dem was zu tun ist und der darauf abgestimmten Szene (in erster Linie im Raum „4 Sinne“). Auch war teilweise die für das Essen notwendige Zeit etwas knapp bemessen (zuforderst im Raum „Rückkehr“).
Das alles ist Meckern auf höchstem Niveau in internationalem Vergleich. Aber die Preisgestaltung und Werbung tritt genau damit an. Was man sich aber bewusst sein muss: Ich habe noch nie etwas so komplexes technisch-kulinarisches erlebt. Das Zusammenspiel von beweglichen Teilen, Multimedia, erstklassigem Essen und vielen involvierten Menschen und das am Fließband ist unglaublich. Dass es hierbei durchaus Ecken geben kann, die noch nicht ganz perfekt sind, ist vollkommen nachvollziehbar. Das Zusammenspiel ist aber nahe am Perfekten (und ein Nachjustieren sicher alles andere als banal). Dass das Ganze nicht jeden Geschmack trifft und nicht mit einer Attraktion im herkömmlichen Sinn vergelichbar ist, ist bei all den Themen, die das Projekt in sich vereint ganz natürlich und das muss es aushalten. Ich bin mir sicher, dass es sehr viele Menschen gibt, die hierzu keine Grundlagendiskussion führen werden, sondern einfach staunend einen tollen Abend verbringen mit dem Privileg ihn sich leisten zu können.
Sollte mal eine Weltausstellung nach Rust kommen, wäre das wahrscheinlich ein perfekter Pavillion dafür ;-)