(ct’d.)
Also eigentlich musst du jedes Bauteil jeden Bolzen jede Mutter als Feder annehmen mit eigener Federkonstante und da wirst du ja wahnsinnig da steigt dir jedes Simulationsprogramm aus. Außerdem gibt es auch noch den den großen scary x factor


Fertigungstoleranzen

Heißt es hat gar keinen Sinn alles infinitesimal genau zu berechnen weil du kriegst ein 2 m Stahlteil nicht auf 1 micron genau gefertigt. (Hence why Elon Musk is an idiot but I digress)
Dazu kommt dass die Fahrzeug-Schiene-Schnittstelle eine äußerst verknispelte Angelegenheit ist. 4 Achsen à 12 Räder macht 48 Kontaktpunkte die natürlich keine Punkte sind sondern Flächen die sich je nach Fahrsituation auch noch ständig in Größe und Position verändern. Uff.
Idealerweise haben alle Räder in jeder Situation zu jeder Zeit Kontakt zur Schiene. Das wird bewerkstelligt durch Federn die diese gegen die Schiene anpressen. Und ich habe keinen Beweis dafür aber eine starke Vermutung: hier liegt der Hund begraben. Einzelne Räder verlieren in bestimmten Schienenelementen den Kontakt zur Schiene, knallen dann wieder auf, prallen ab und das in schneller Abfolge. Was wir erleben ist dann kein Schlagen, wie es bei Unebenheiten der Schiene, die sich auf das Fahrzeug übertragen, der Fall wäre. Sondern eher ein Zittern, Vibrieren.
Jetzt das nächste Problem: Zielkonflikte. Eigentlich willst du die Räder maximal fest gegen die Schiene pressen damit verhinderst du ein Abheben oder Flattern. Aber damit erhöhst du die Reibkräfte in den Lagern, die Achterbahn macht weniger Spaß weil die quasi „mit angezogener Handbremse“ fährst. Und du verbrennst viel kinetische Energie in Wärme und riskierst damit ein valleying.
Du merkst schon das ist ein ständiges Abwägen und rumprobieren. Es geht hier um fein-tuning - wie bei einem Musikinstrument. Und das ist bei einem Prototyp auch gar nicht verwerflich oder verwunderlich.
Was steht jetzt an? Hmm wenn ich die Anlage justieren müsste: Ich würd mal ein accelerometer mitfahren lassen und schauen in welcher Richtung die Vibrationen auftauchen, in y-(quer) oder z-(hoch) Richtung. Dann respektive die Vorspannkraft der Andruckfedern für die guide

oder upstop (z) wheels erhöhen so lange bis die Geschwindigkeit absinkt und schauen ob das hilft. Vielleicht komm ich damit durch härtere Räder bei höherem Anpressdruck zu verwenden.
Dann würd ich mir die Beschleunigungen aufplotten und mal eine Fourieranalyse drüber laufen lassen. Gibt es Frequenzen die hervorstechen und wo treten die auf?
Dann mal einen fetten subwoofer oder einen Exzenter auf den Wagen gurten und Sinuston sweeps drauf geben. Treff ich ne Eigenfrequenz, gibt es Resonanzen, rappelt oder scheppert was am Zug?
Dann geht es ans Handauflegen - literally. Kann ich die Schwingung irgendwie dämpfen? Oder das schwingende Bauteil so stimmen dass es in einem höheren, weniger störenden Frequenz schwingt? Stell dir das vor wie ein Cello, im Korpus gibt es einen Stimmstock, der muss an einer ganz bestimmten Stelle die Wände stützen, sonst ist das Instrument unspielbar. Das kann ich auch umgekehrt ausnutzen indem ich Material hinzufüge oder wegnehme um Schwingung zu unterdrücken.
tldr; ich glaube nicht dass Qualitätsprobleme der Fertigung sind, die das Fahrverhalten bestimmen. Sondern komplexes, zum Teil stochastisches, möglicherweise sogar chaotisches Zusammenspiel verschiedenster Komponenten, die sich in Modell, Labor, und Simulation nicht abbilden lassen. Das einzige was hier hilft sind lange Versuchsreihen oder ganz einfach: trial and error.
Kurzer nerd mode Exkurs. Du musst jeden Zug auf der Schiene festlegen, damit der nicht undefiniert rumwackelt oder einknickt. idR machst du das indem du EIN (Dreh-)Gelenk restriktiv mit nur einem Freiheitsgrad (rotatorisch in der Längsachse) auslegst. Dieses eine Gelenk sorgt dafür dass sich die Wagen des Zuges horizontal parallel zur Schiene ausrichten und nicht seitlich ausknicken können. Jeden weiteren Wagen kannst du dann mit einem Kugelgelenk mit drei Freiheitsgraden (Rotation um die Längs, Hoch- und Querachse) anhängen und der ganze Zug ist dann trotzdem statisch definiert.
Typischerweise ist das restriktive Gelenk das erste oder letzte des Zuges, dabei wird oft ein dummy car verwendet, eine einzelne Achse ohne Aufbau und Sitze. Bei intamin und B&M fährt die vorneweg, bei SLCs hintendran.
Das restriktive Gelenk irgendwo in der Mitte zu haben ist mechanisch möglich, allerdings sind mit keine solche Fälle bekannt.
Beim Stryker ist das restriktive Gelenk zwischen der ersten und zweiten Sitzreihe, alle weiteren „Wagen“ sind mit Kugelgelenk an dem vorderen angehängt. Das sieht man sehr schön auf den Bildern von
@steeh
Das ist die Statik, die den Zug in jedem Abschnitt an jedem Punkt der Schiene festlegt. Das kriegst du notfalls noch mit Zettel und Bleistift hingebogen. Auch unter Berücksichtigung der Lasten, also der Fahrzeugmasse, der Zuladung, der Beschleunigung durch g-Kräfte. Aber halt immer nur für einen bestimmten Moment in zeitlichen Kontinuum, also quasi ein high speed Foto an
einer bestimmten Stelle der Schiene.
Das Problem, mit dem wir hier konfrontiert sind, ist aber ein dynamisches. Und da wird es sehr schnell funky, Dynamik kannst du mit analytischen Methoden oft nicht mehr berechnen, und numerische Methoden werden schnell sehr datenintensiv und können die Realität nur bedingt genau approximieren. Will sagen: Du musst gewisse vereinfachende Annahmen treffen die in der Realität so idealisiert nicht eintreffen. zB dimensionierst du Bauteile so dass du annehmen kannst: das ist biegesteif. Aber natürlich erfährt jedes noch so massive Teil unter Last eine elastische Verformung, und sei die noch so klein.
(tbc, später)