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Das Spiel mit den Kräften





Achterbahnen beeindrucken mit ihrer Höhe, Geschwindigkeit oder Anzahl der Inversionen. Meistens zählt höher, schneller, weiter und es werden Rekorde aufgestellt und wieder gebrochen.

Natürlich gibt das einen groben Eindruck über das, was ein Coaster zu bieten hat, doch was das Erlebnis während einer Fahrt wirklich ausmacht, ist, was mit deinem Körper angestellt wird. Der schnelle Wechsel zwischen enormem Druck oder dem Gefühl der Schwerelosigkeit – Das Spiel mit den Kräften.

Ich möchte euch einen kleinen Eindruck geben, wie bei Achterbahnen mit Kräften gearbeitet wird, wo die Grenzen liegen und auch versuchen, euch die Physik dahinter etwas verständlich zu machen.


Was steckt dahinter?


Los geht es mit etwas Theorie, wobei es einen kleinen Betrug aufzudecken gilt:
Deine Wahrnehmung verfälscht das was du während einer Achterbahnfahrt erlebst. Dein Körper wird weder schwerer noch leichter. Das was du spürst, ist der Wagen, der deinen Körper hin und her bewegt.

Dieses Phänomen erkannte schon der Physiker Newton sehr lange bevor die erste Achterbahn ihre Runden drehte. Ein Körper, der einmal in Bewegung ist, würde diese immer gradlinig fortsetzen, gäbe es keine Reibung oder anderen Einflüsse. Um ihn aus seiner Bewegungsrichtung abzulenken benötigt es also immer eine Kraft, die senkrecht zu dieser wirkt.

Das kannst du ganz leicht ausprobieren: Befestige einen Gegenstand fest an einer Schnur, und schleudere ihn in einem Kreis über deinem Kopf. Je schneller der Gegenstand kreist, desto stärker beginnt es an der Schnur zu ziehen (Zentrifugalkraft). Du musst eine Gegenkraft (Zentripetalkraft) aufwenden um Deine Hand still zu halten.

Solltest du die Schnur loslassen (Das probierst du bitte nur aus, wenn du nichts und niemanden dabei gefährdest ;)), bringst du keine Kraft mehr auf und der Gegenstand fliegt in die Richtung davon in der er zuletzt war.



Die Bewegung eines Achterbahnzugs ist durch sein Fahrwerk an den Verlauf der Schiene gebunden. Die Schiene sowie die Stützkonstruktion bringen somit die Kraft auf, die den Zug in jedem Moment aus seiner jetzigen Bewegungsrichtung ablenkt. Die Gegenkraft des Zuges auf die Schiene wird also über die Stützenkonstruktion und Fundamente in den Boden abgeleitet.

Da du ja selbst nicht fester Bestandteil des Zuges bist, muss der Zug wiederum diese Richtungsänderung an dich weitergeben und übt ebenfalls eine Kraft auf dich aus. Genau das ist der Druck, den du spürst, wenn du durch Täler und enge Kurven fährst, oder der eben teilweise oder komplett ausbleibt, wenn du über einen Hügel fährst.






Die „g-Kräfte“


Hinzu kommt jetzt allerdings, dass du, solange du auf der Erde bist immer der Gravitationskraft ausgesetzt bist. Diese würde dich dauerhaft Richtung Erdmittelpunkt beschleunigen, stündest du nicht die meiste Zeit deines Lebens auf festem Boden.
Ihr Wert beträgt 9,81 m/s² und ist festgelegt als 1g. Kräfte, die beispielsweise bei einer Achterbahnfahrt auftreten, lassen sich immer als ein Vielfaches der Erdbeschleunigung angeben.

Fährt dein Achterbahnzug durch ein Tal, so ergänzen sich Gravitations- und die (von dir wahrgenommene) Ablenkkraft, sodass du dich schwerer anfühlst als normal.
Hast du zum Beispiel ein Körpergewicht von 75 Kilogramm, so kommt es dir unter dem Einfluss von 3g so vor als würdest du 225 Kilogramm - das Dreifache deines Normalgewichts - wiegen.
Die Stärke der Fliehkraft wird bestimmt durch die Geschwindigkeit des Zuges, sowie den Radius der Richtungsänderung.


Airtime


Auf einem Camelback hingegen wirken die wahrgenommene Ablenkkraft und die Gravitationskraft einander entgegen, und heben sich bei gleicher Stärke auf. In diesem Zustand bist du genau 0 g ausgesetzt und fühlst dich somit schwerelos. Wird die Ablenkung stärker als die Gravitationskraft, so wirken „negative“ Kräfte:
-1 g heißt, dass du aus dem Sitz gehoben wirst und dein (einfaches) Körpergewicht lastet nur noch auf dem Bügel. Du erlebst in diesem Moment die sogenannte „Airtime“!
Dieser Effekt ist bei Achterbahnfans gern gesehen, da es einem das Gefühl gibt man fliege aus der Bahn und nur der Bügel hält einen in seinem Sitz.

Besonders anschaulich werden all diese Effekte bei B&M Hypercoastern. Meherere aneinander gereihte Airtimehügel (z.B. bei Silverstar) machen den Wechsel zwischen Airtime und hohen g Werten spürbar.




Die Grenzen des Machbaren


Wie bei eigentlich allem gibt es auch bei den Kräften Grenzen, die durch das was der Mensch aushält vorgegeben sind. Um das TÜV-Siegel zu bekommen, darf ein Coaster diese Belastungsgrenzen natürlich auf keinen Fall überschreiten. Die maximal zugelassenen 4 bis 5 g belasten den Menschen schon sehr stark und dürfen auf keinen Fall länger als ein paar Sekunden wirken, da ansonsten sogenannte Gray Outs oder auch Black Outs auftreten können. Trainierte Kampfjetpiloten beispielsweise können da nochmal ein wenig mehr aushalten als der Durchschnitt.

Ein passendes Beispiel bietet da der Intamin Megacoaster Intimidator 305 in Kings Dominion. Dessen Layout eine leichte Entschärfung erfuhr, da anscheinend bei vielen Parkbesuchern bei der Durchfahrt der bodennahen Kurve nach dem First Drop zu solchen Erscheinungen gekommen ist.
Das folgende Video der Coastercrew macht die starken Kräfte nochmal deutlich, auch wenn der „Black Out“ hier zum Glück nur vorgespielt ist:


Die Kräfte in seitlicher und vertikaler Richtung sind so begrenzt, dass die Fahrt möglichst angenehm ist.
Mehr als -1,5 g sind so in der vertikalen nicht zulässig um keinen zu hohen Druck auf Schultern oder Oberschenkel zu erzeugen. Durch die Sitzposition dürfen auch die seitlich, in Kurven auftretenden, Fliehkräfte nicht mehr als 2 g betragen um starke Belastungen der Wirbelsäule zu vermeiden.


Einsatz im Achterbahnalltag



Es zeigt sich, dass die stärksten Kräfte vertikal zur Position des Mitfahrers zugelassen sind. Dies ist auch der Grund, weshalb Kurven bei Achterbahnen grundsätzlich immer geneigt sind. Der Körper wird somit auch in einer Kurve nicht seitlich belastet, was wesentlich schnellere Richtungswechsel ermöglicht.

Was damit möglich ist, zeigt beispielsweise der neue Maurer Söhne Coaster Freischütz im Bayernpark. Dieser besteht zum Großteil aus engen Kurven die für andauernde hohe Kräfte sorgen. Dazwischen wechselt man jedoch schnell in die „Schwerelosigkeit“, während einen die Schrauben auf den Kopf stellen.





Ein Gegenbeispiel stellen die bekannten Wilde Maus Achterbahnen dar, deren Kurven Absichtlich keine seitliche Neigung besitzen. Der Effekt in den Kurven in seinem Sitz zur Seite gedrückt zu werden ist also gewollt eingesetzt.



Eine Angenehme Fahrt



Wichtig für eine angenehme Achterbahnfahrt ist, dass Übergänge zwischen hohen und niedrigen Kräften sanft verlaufen. So beginnt keine Kurve abrupt, sondern ihr Radius wird langsam kleiner, bis die gewünschte Größe erreicht ist. Auch eine seitliche Neigung sollte niemals zu abrupt einsetzen. Je langsamer die Übergänge, desto angenehmer fährt sich ein Coaster. Man sagt dann, die Bahn ist „smooth“, was übersetzt „glatt“ bedeutet.
B&M bekommt dies sehr gut umgesetzt, während in der Fan-Szene beispielsweise die Achterbahnen des Herstellers Vekoma harte Kritik in Punkten „Smoothness“ ernten.





Jetzt achte einfach mal selbst bei der nächsten Achterbahnfahrt darauf, wann du welchen Kräften ausgesetzt bist und wie sich das ganze so für dich anfühlt. Ich hoffe ich konnte dir das Spiel mit den Kräften mit meiner Erklärung (die jetzt doch recht ausführlich geworden ist) ein wenig anschaulicher machen.
In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß in der kommenden Saison. Lasst euch ordentlich durchschütteln!


Bis demnächst, euer doCoaster!
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