Die Entwicklung von VR in Freizeitparks
Ein Überblick über Geschichte und Technik von VR in Freizeitparks. Zudem haben wir Clubmember Salto19 nach seiner Meinung gefragt.
Kaum ein Thema polarisiert in der Fan-Szene so stark wie Virtual Reality (VR). Der Einsatz von VR-Technik ist mittlerweile nicht nur eine (meist aufpreispflichtige) Ergänzung für Achterbahnen bzw. Fahrgeschäfte, sondern ein eigenständiges Erlebnis mit extra dafür gebauten Attraktionen. Viele Freizeitparks weltweit bieten den Besuchern ein VR-Erlebnis. Doch wie hat es eigentlich damit angefangen?
Die Anfänge
„Für Hochspannung und Tempo-Action sorgt der weltweit einmalige Galaxie Express. In diesem virtuell bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Indoor-Roller Coaster dringt der Gast dank eines in einem Helm integrierten Bildschirm visuell in die unendlichen Weiten des Weltalls vor. Die gezeigten Bilder täuschen Körper und Sinne – aus Achterbahntempo wird Warpgeschwindigkeit, jede Kurve zur planetaren Ausweichroute.“
Erinnert ihr euch noch an den Galaxie Express im Space Center Bremen? Vom Soft Opening im Dezember 2003 bis zur endgültigen Schließung des Parks im September 2004 war dieser Mack Powered Coaster tatsächlich der erste und einzige Coaster mit VR-Technik weltweit. Auch wenn damals noch keine VR-Brillen sondern Monitore zum Einsatz kamen.
Danach wurde es lange Zeit sehr ruhig um das Thema VR.
Knapp 10 Jahre später wurde dann das erste VR-Headset vorgestellt: Oculus Rift. Doch virtuelle Achterbahnfahrten zu Hause zu erleben ist nicht ganz unproblematisch: Die widersprüchlichen Informationen von Augen (Bewegung, Richtungswechsel) und Innenohr (keine Bewegung, bewegungsarmes Sitzen) führen bei 15 bis 20 Prozent der „Fahrgäste“ zu Motion-Sickness mit u.a. Übelkeit und Kopfschmerzen.
Der Professor Thomas Wagner von der Hochschule Kaiserslautern versuchte in Zusammenarbeit mit Mack Rides dieses Problem zu lösen. Bei Testfahrten auf den Achterbahnen blue fire und Pegasus im Europa Park stellte sich heraus, dass die Kombination einer realen Achterbahnfahrt und virtueller Realität diese Motion-Sickness deutlich reduziert – wenn die Synchronisierung von Fahrt und Bild exakt übereinstimmt.
Das Feedback nach den ersten Testfahrten war sehr positiv und das Fahrgefühl wurde teilweise sogar als angenehmer als die reale Fahrt empfunden. Das liegt daran, dass die reale Achterbahnfahrt in der virtuellen Welt nicht exakt nachgebaut werden muss - nichtmal Schienen sind erforderlich. Ein Flug durchs All ist genau so möglich wie eine Schlittenfahrt. Zudem können bei der virtuellen Fahrt Geschwindigkeit und Kurvenradien angepasst werden und somit von der realen Achterbahn abweichen. Durch eine virtuelle Drehung um 180 Grad kann sich sogar eine Bremsung wie eine Beschleunigung anfühlen.
Es galt aber auch einige technische Herausforderungen zu lösen. In den Tests mit Oculus Rift stellte sich heraus, dass kabelgebundene Brillen aus Sicherheitsgründen nur schwer geeignet sind und aufgrund der auftretenden Vibrationen der notwendige PC nicht permanent mitfahren kann. Daher setzte man auf Samsung Gear VR, also mobile VR-Brillen in Kombination mit einem Smartphone.
Nach ca. 2-jähriger Testphase wurde schließlich der Alpenexpress im Europa Park als erste Achterbahn mit der Technik der Firma VR Coaster ausgestattet und am 17. September 2015 mit dem MackMedia Film „Ed und Edda - Der Minenexpress“ als VR-Ride den Parkbesuchern präsentiert.
Die Technik
Wie bereits erwähnt, ist die Synchronisation von realer und virtueller Fahrt von größter Bedeutung, um Motion-Sickness zu verhindern. Bereits Verzögerungen von 1 bis 2 Metern zwischen der realen und virtuellen Fahrt reichen aus, um diese hervorzurufen. Eine Sensorbox am Achterbahnzug erfasst daher permanent die Drehung des Rads und funkt die Daten per Bluetooth an die Brillen. Über 30 Mal pro Sekunde werden Position und Geschwindigkeit des Zuges berechnet. Entscheidend ist auch, dass es keine Verzögerung zwischen realen und virtuellen Kopfbewegungen gibt. Dafür werden die Kopfbewegungen rund 1000 Mal pro Sekunde erfasst und es kommt eine Bildwiederholungsfrequenz von 60 Hertz zum Einsatz.
Weitere Entwicklung
Das VR-Konzept wurde schließlich auf der IAAPA 2015 offiziell vorgestellt. Dafür wurde der Vekoma Suspended Family Coaster Freedom Flyer im Fun Spot America (Orlando) ausgewählt. Kurz darauf wurde VR zum Trend und es wurden (meist ältere) Achterbahnen in Europa, Nordamerika und Japan mit der Technik ausgestattet. Eine daraus resultierende langsamere Abfertigung und Kapazität, Zusatzkosten für die Besucher sowie nicht immer einwandfrei funktionierende Technik führten aber dazu, dass sich VR nicht überall dauerhaft durchsetzen konnte. Selbst im Europa Park war das der Fall: Nur 2 Jahre konnten die Besucher „Pegasus Coastiality“ mit den Charakteren des Films „Happy Family“ als aufpreispflichtige Attraktion erleben. Und auch bei Achterbahn-Fans stießen die VR-Technik und die damit einhergehenden Nachteile auf wenig Gegenliebe.
Mit dem Umbau der Eurosat zum Eurosat-CanCan Coaster präsentierte der Europa Park einen neuen Ansatz. Ein getrennter Eingang und Wartebereich, eine getrennte Station sowie eine Drehweiche für „Eurosat Costiality“ sollten vor allem das Problem der Abfertigung lösen und die Fahrgäste ohne VR nicht stören. Zudem sind aufpreispflichtige Zeittickets erforderlich, damit es trotz eingeschränkter Kapazität zu keinen langen Schlangen kommt. Dafür bekommt man dann aber auch ein umfangreicheres VR-Erlebnis inklusive Preshow. Statt einer Brille erhält man ein komplettes VR-Headset, welches man bereits vor der Station aufsetzt. Ein sehr genaues Tracking der Headsets erlaubt es, dass man damit auch in den Zug einsteigen kann. Der Weg, der Zug und auch die Mitfahrer werden virtuell angezeigt, damit keine Unfälle passieren. Das Erlebnis basiert übrigens auf dem Spielfilm „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ des französischen Regisseurs Luc Besson, mit welchem der Europa Park bei der Thematisierung des Inverted Powered Coaster Arthur zusammenarbeitete.
Ein Jahr später präsentierte dann (für viele überraschend) das Phantasialand den nach eigenen Angaben „Besten VR-Coaster der Welt“. VR-Brillen von Pico mit festen Displays statt Smartphones, Motion-Capture-Technologie und ein hochauflösender Film mit 3 Varianten je nach Sitzreihe – diese Zutaten ergeben Crazy Bats und bedeuteten das Ende des ehrwürdigen Temple of the Night Hawk. Die Entscheidung, den Vekoma Indoor Coaster als Grundlage zu nutzen, brachte dem Phantasialand direkt einen Rekord ein: Längster VR-Coaster der Welt. Übrigens: Im Gegensatz zu vielen anderen VR-Attraktionen kostet das Erlebnis keinen Aufpreis.
Aktuelle Konzepte
Dass Virtual Reality in Freizeitparks mittlerweile mehr als nur eine Ergänzung für Fahrgeschäfte ist, habe ich anfangs bereits erwähnt. Vor allem der Europa Park, im speziellen Michael Mack, setzt auf die Technik und präsentiert laufend neue Projekte der Firma VR Coaster.
In einer 600 Quadratmeter großen Halle zwischen dem Hotel Krønasår und der Wasserwelt Rulantica können die Besucher seit September 2020 eine „Full Body Tracking Free Roaming VR-Experience“ namens Yullbe erleben. Ausgestattet mit VR-Helm, eigens entwickelten Hand-und Fußtrackern sowie einem Rucksack-PC geht es auf „Mission: Rulantica“, permanent überwacht von 90 Kameras. 4 Gruppen mit jeweils 8 Personen können sich gleichzeitig frei in der VR-Welt bewegen und dabei verschiedene Aufgaben bewältigen – wobei sogar reale Gegenstände eingebunden werden können. Der Europa Park vermarktet Yullbe als eigenständige Attraktion, die auch nach Parkschluss erlebt werden kann, lässt sich das aber auch 29 EUR für ein 30-minütiges Erlebnis kosten.
Kurz vor der Eröffnung steht Snorri Snorkling, welches echtes Schnorcheln mit virtueller Realität verbindet. Dafür sorgen ein neben der Rulantica-Halle neu gebauter, überdachter Pool mit Gegenstromanlage und Unterwasser-Sound sowie wasserdichte VR-Taucherbrillen. Zusammen mit dem Rulantica-Maskottchen Snorri geht es auf den Meeresgrund – natürlich für einen Aufpreis.
Meinung von Clubmember Salto19
„Virtual Reality ist eine schöne Technik, womit man Menschen in eine andere Welt bringen kann. In der Freizeitpark-Branche gibt es viele Ansätze dafür, nur perfektioniert hat es noch keiner. Es ist für bestimmte Attraktionen eine Aufwertung, nur das Problem dabei ist, dass die Technik nicht perfekt synchron mit der Fahrt läuft und man das klassische Fahrerlebnis auf der Achterbahn mit seinen Mitmenschen nicht teilen kann, da man komplett von der Außenwelt abgeschlossen ist. Dazu bremst die Technik extrem die Kapazität einer Attraktion, wodurch erhebliche Wartezeiten entstehen. Zudem steigt die Erwartungshaltung bzgl. der Attraktion und wenn es kein gut umgesetztes System ist, ist man schnell enttäuscht. Mack hat zwar mit den VR-Helmen bei Valerian versucht, diese lange Zeit vom Aufsetzen der Brillen, Justieren und Starten einer Bahn zu verkürzen, aber trotzdem ist das viel zu viel Aufwand für die Technik, was sich meiner Meinung nach nicht lohnt, so lange dafür anzustehen bei einem VR-Ride. Sonst ist es ein super Anreiz für kleine bis mittlere Parks mit kleinem Budget, alte Attraktionen aufzuwerten. Bei Top-Attraktionen sollte man da die Finger von lassen, da es den Frust der Gäste nur steigert durch die lange Wartezeit und die Enttäuschung zu groß ist, wenn es nicht perfekt ist. Die Zukunft liegt meiner Meinung nach eher im Bereich Augmented Reality wie beim Mario Kart Ride in der Nintendo World, da man das Erlebnis mit seinen Mitfahrern hat und der Mensch lieber schöne Erlebnisse teilt und diese eher positiv beim einzelnen im Gedächtnis bleiben.“
Teilt ihr diese Meinung? Was sind eure Erfahrungen mit VR-Technik in Freizeitparks? Schreibt es gern in den passenden Thread.
Quelle, Quelle, Quelle, Quelle, Quelle,
Quelle, Quelle, Quelle, Quelle, Quelle
Tags: Phantasialand, Deutschland, Mack, Technik, Report, Europa Park