Slidewheel - ein innovatives Konzept im Test!
Am gestrigen Samstag hat uns die Firma wiegand.maelzer ermöglicht, den Testaufbau des Slidewheels in Münsterhausen zu testen. Es handelt sich dabei um den Prototypen eines innovationen Rutschenkonzeptes, welches nach Jahren der Ideenfindung und Planung nun Wirklichkeit geworden ist. Was sich genau dahinter verbirgt und wie es sich fährt erfahrt ihr in diesem Artikel!
Was ist das Slidewheel?
Einfach gesagt handelt es sich dabei um eine Kombination aus Riesenrad und Rutsche. Die Röhre der Rutsche wurde innerhalb einer drehbar gelagerten Stützenkonstruktion errichtet. Der Clou ist: Durch die Drehbewegung der Rörenkonstruktion bewegt man sich innerhalb der Röhre fort und erlebt somit mehrere Passagen mit wechselnden Geschwindigkeiten und Pendelbewegungen.
Eine spektakuläre Konstruktion
Wie funktioniert das Slidewheel?
Das zu erklären ist gar nicht mal so einfach. Auf etwa 12 Metern Höhe, dort wo sich bei einem normalen Riesenrad die Nabe/Drehachse befindet, fährt man in die Röhre ein, 3 Umdrehungen später kommt man dann auf der gegenüberliegenden Seite wieder heraus. Die Firma wiegand.maelzer hat eine anschauliche Animation vom Fahrablauf ertellt. Dort sieht man auch, dass nach jeder vollen Umdrehung ein weiterer Reifen in die Anlage gefahren werden kann. Somit sind bis zu 3 Reifen zur selben Zeit in der Röhre unterwegs.
Daten und Fakten:
Höhe: 24 Meter
Röhrenlänge: 140 Meter
Röhrendurchmesser: 2,7 Meter
Reifen: 3er oder 4er Reifen einsetzbar
Wassermenge pro Stunde: ~ 350 m³/h
Kapazität: ~ 480 Personen pro Stunde
Welche Varianten gibt es?
Da man beim Slidewheel in der Mitte des Rades (auf ca. 12 Meter Höhe) ins Abenteuer startet, gibt es 2 Grundversionen davon.
Version 1: Ein- und Ausstieg auf der selben Ebene
Bei dieser Variante wird nach Verlassen des Slidewheels ein flacher Wasserkanal durchfahren, der die Fahrgäste zurück ins Gebäude bringt. Der Ein- und der Ausstieg befinden sich somit auf der selben Ebene.
Bilder dieser Variante:
Version 2: Einstieg oben, Ausstieg unten
Bei dieser Variante schließt sich an das Slidewheel noch ein Rutschenteil an, der die Passagiere zurück auf Bodenniveau bringt. Die Reifen werden dann per Liftsystem zurück zum Einstieg befördert.
Bilder dieser Variante:
Weitere Fragen und Antworten im Interview:
Damit keine Frage unbeantwortet bleibt, haben wir Interviewfragen vorbereitet. Rainer Maelzer (Geschäftsführer) & Frank Heimes (Head Engineer & Projektleiter) sowie weitere Offizielle vor Ort haben uns Rede und Antwort gestanden. Vielen Dank für die interessanten Gespräche.
wiegand.maelzer ist im Interview mit WM, Coasterfriends mit CF abgekürzt
CF: Wie lange hat es von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt gedauert?
WM: Das Konzept für das Slidewheel wurde 2013 zum ersten Mal auf einer Messe vorgestellt. Seit dem wurde das Konzept stetig weiterentwickelt. Von der ersten Idee bis zur Eröffnung des Prototyps im nächsten Jahr sind also mehr als 5 Jahre vergangen.
CF: Wer kam auf die Idee eine Rutsche mit einem Riesenrad zu kombinieren?
WM: Die Idee kommt von einem Schweizer Erfinder, dieser kam damals auf uns zu. Wir haben dann gemeinsam den Patentantrag ausgearbeitet und eingereicht.
CF: Wie ist die Kooperation mit Gerstlauer zustande gekommen?
WM: Wir haben nach einem Partner gesucht, der das nötige Know-How mitbringt und die Stahlteile anfertigen kann und haben mit Gerstlauer einen Partner gefunden, der sich das Projekt zugetraut und angenommen hat.
CF: Konnte Wiegand Mälzer vom Know-How und der Erfahrung die Gerstlauer mit Riesenrädern hat profitieren?
WM: Ja, die Stützenkonstruktion sowie die Fertigungspläne sind in enger Zusammenarbeit mit Gerstlauer entstanden.
CF: Was waren die größten Meilensteine bei der Entwicklung?
WM: Der größte Meilenstein war sicherlich einen Käufer dafür zu finden, gerade bei einem so innovativen Konzept ist es schwierig einen Kunden davon zu überzeugen, dass es wirklich umsetzbar ist. Weitere Meilensteine waren die geometrische und statische Auslegung des Stahlbaus, die Abnahme beim chinesischen Prüfdienst (CSEI), die in einigen Bereichen sogar anspruchsvoller als der deutsche TÜV ist, sowie die ersten geglückten Tests des Prototypen.
CF: Was passiert im Falle einer Störung? / Wie wird das Rad evakuiert?
WM: Auf der Strecke gibt es 5 Evakuierungsklappen, diese befinden sich jeweils an strategisch günstigen Punkten im Tal und lassen sich mit einem Hubsteiger erreichen. Im Normalfall wird sich das Rad aber so lange weiterdrehen bis alle Reifen das Rad verlassen haben, im Falle eines Stromausfalls wird ein Notstromaggregat die Antriebe mit Strom versorgen, auch hier sind mehr Antriebe verbaut als notwendig wären, sodass beim Ausfall eines Motors die verbleibenden 3 das Rad weiterdrehen könnten. Im Rad wird es zusätzlich eine visuelle Überwachung über Kameras geben.
CF: Ist es auch denkbar das Rad mit anderen Rutschen zu kombinieren (z.B. eine Halfpipe die sich anschließt)?
WM: Ja, im Anschluss an das Rad sind alle gängigen Elemente die auf unseren jetzigen Rutschen bereits zum Einsatz kommen denkbar auch ein Lazy River im Anschluss wäre eine Möglichkeit.
CF: Wie kam der Kontakt zum ersten Kunden zu Stande?
WM: Der Kontakt wurde auf einer Messe geknüpft.
CF: Wie sieht der Zeitplan beim aktuellen Projekt aus?
WM: Das Slidewheel wird in 2-3 Wochen wieder abgebaut, alle Teile neu lackiert, in Container verpackt und nach China verschifft. Dort soll es dann im April eröffnen.
CF: was waren die größten Herausforderung bei diesem Projekt?
WM: Die größte Herausforderung bei der Auslegung lag darin, dass zum ersten Mal überhaupt die GFK Teile einer Rutsche, durch die Drehbewegung des Rades, wechselnden Belastungen (Zug/Druck) ausgesetzt sind. Schon bei der Planung wurden deshalb Dauerschwingversuche mit GFK Teilen durchgeführt. Als Ergebnis dieser Ermüdungstests hat man dann die Röhrenelemente mit stabileren/dickeren Flanschen versehen. Eine weitere Herausforderung war, das Tragwerk für die Röhre geometrisch und statisch auszulegen, denn zu keinem Zeitpunkt dürfen Spannungen der Stahlstruktur auf die GFK Röhre übertragen werden, diese ist deshalb an allen Flanschen mit Gummipuffern versehen worden. Zudem musste der Schwerpunkt der kompletten Konstruktion zentral über der Drehachse liegen, hierbei musste auf eine möglichst gleichmäßige Gewichtsverteilung geachtet werden.
CF: Wird es eine Gewichtsbeschränkung für die Ringe/Rafts geben?
WM: Ja, die Ringe mit 4 Personen dürfen mit maximal 320 kg beladen werden.
CF: Wie viel wiegt die gesamte Konstruktion/die Stützenkonstruktion?
WM: Die drehend gelagerte Stützenkonstruktion (das Rad) inklusiver der GFK Rutschenteile wiegt ca. 120 Tonnen. Zusammen mit der Stützenkonstruktion wiegt das Rad ca. 135 Tonnen!
CF: Woher weiß der Operator wann der nächste Reifen in das Rad gefahren werden darf?
WM: Bei der Einfahrt in die Röhre befindet sich 2 Förderbänder, auf dem hinteren können 2 Reifen beladen werden, auf dem vorderen wartet ein Reifen darauf in das Rad befördert zu werden. Der beladene Reifen fährt auf dem vorderen Band bis zu einer Lichtschranke nach vorne. Der Operator bekommt dann über eine Ampel signalisiert wann der Reifen starten darf. Innerhalb eines fest definierten Zeitraums kann nun die manuelle Startfreigabe erfolgen. Wird der Moment verpasst, setzt sich das Förderband nicht in Bewegung und es muss gewartet werden, bis das Rad wieder die richtige Position erreicht hat. Die Zuführung ist somit doppelt abgesichert, der Operator kann also eingereifen falls z.B. die Gäste nicht die richtige Haltung eingenommen haben oder sich nicht festhalten. Hier wird momentan aber über eine weitere Sicherheitsstufe nachgedacht, die finale Entscheidung steht aber noch aus.
CF: Wie ist das Rad gelagert und wie wird es angetrieben?
WM: Da man im Drehpunkt des Rades einfährt, ist die Konstruktion in einem Stahlring gelagert, dieser liegt je Seite auf 4 Tragrollen auf. Der äußere Metallkranz ist mit Streben mit dem Inneren Lagerkranz sowie mit dem gegenüberliegenden Metallkranz verbunden. Das Rad selbst wird angetrieben wie jedes normale Riesenrad auch. Es gibt 4 Reibräder, die mittels einer Hydraulik an den besandeten Außenkranz gedrückt werden. Für den Betrieb der Anlage sind nur 3 Motoren notwendig, sodass im Falle einer Störung das Rad auch mit nur 3 Antrieben weiterlaufen könnte.
Bild des Reibradantriebes
Auf diesen Laufrollen lastet das komplette Gewicht des Rades
CF: Welche Belastungen wirken im Betrieb auf das Rad?
WM: Jeder voll beladene Reifen wiegt maximal 340 kg (Passagieere + ca. 20 kg Eigengewicht des Reifens) dazu kommt noch das Wasser, dass beim Start jedes Reifens mit in das Rad gepumpt wird (ca. 250 Liter pro Reifen). Somit bewegen sich innerhalb des Rades rund 1,5 Tonnen Masse - ein Grund für die massive Unterkonstruktion des Rades! Zudem mussten Faktoren wie Wind, Erdbeben & Temperatur (Wärmeausdehnung) berücksichtigt werden. Durch die große Angriffsfläche der GFK Röhre wirken hier größere Windlasten als z.B. bei normalen Riesenrädern. Wie die meisten Achterbahnen auch, muss das Rad bei Windgeschwindigkeiten über 15 m/s (ca. 54 km/h) seinen Betrieb einstellen.
CF: Das Rad wirkt schon jetzt gigantisch! Sind auch noch größere Räder/längere Strecken denkbar? Oder sind die Grenzen der Machbarkeit schon erreicht?
WM: Technisch möglich ist sicherlich einiges, es muss aber immer in einer vernüftigen Relation aus Kosten und Aufwand stehen.
CF: Wie lange hat der Probeaufbau gedauert?
WM: Der Aufbau des Rades hat zirka 2 Monate gedauert.
CF: Welche Erkenntnisse hat der Probeaufbau gebracht?
WM: Durch den Probeaufbau konnten wir testen, mit welcher Drehgeschwindigkeit wir das Rad später betreiben können und welches Boot am idealsten zum Einsatz kommt. Durch die Anpassung der Drehgeschwindigkeit des Rades lässt sich nämlich die Intensität der Fahrpassagen regulieren. Umso schneller sich das Rad dreht umso steiler und schneller sind die Passagen im Inneren des Rades und umso höher ist die Kapazität. Zudem konnten wir untersuchen ob die berechneten Verformungen der GFK Teile der Wirklichkeit entsprechen.
CF: Wo wird der Prototyp wieder aufgebaut und welche Wünsche hatte der Kunde?
WM: Das Slidewheel wird im Chimelong Wasserpark in Guangzhou, dem meistbesuchten Wasserpark der Welt (2016 rund 2,5 Mio Besucher!) errichtet. An das Rad wird sich noch ein Outdoorpart anschließen, sodass die Passagiere auf Bodenniveau aussteigen könnten (siehe Variante 2 weiter oben). Die 3 Farben der Rutschenröhre spiegeln die Farben des Chimelong Logos wieder. Die Chinesen haben zudem ein umfangreiches Beleuchtungspaket mitbestellt. Die Röhre wird von 80 LED Spots, die an der Stützenkonstruktion montiert sind, beleuchtet. Die beiden Außenkräze erhalten, wie an den normalen Riesenrädern mittlerweile üblich, LED Lichtleisten.
Von der kompletten Beleuchtung gibt es auch ein Simulationsvideo:
CF: Gibt es schon Interessenten in Europa/Deutschland?
WM: Die Therme Erding ist ein langjähriger Partner unseres Unternehmens und hat sich die Rutsche bereits angeschaut (siehe Beitrag auf Facebook), da die Therme 2018 bereits eine neue Outdoorrutsche von uns erhält wäre frühstens 2019 ein solches Projekt denkbar. Genaueres kann man zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht sagen.
CF: Wie entwickelt sich der Markt weiter? Wird der Fokus in Zukunft mehr auf den asiatischen Raum gerichtet?
WM: Wie auch in der Achterbahnbranche wird der asiatische Markt immer wichtiger, dort entstehen extrem viele Projekte in sehr kurzer Zeit. Wir haben in den letzten Jahren bereits den Hot Go Park in Fushun mit Rutschen und einem interaktiven Wasserspielplatz beliefert. Die nächsten Jahre werden zeigen wie sich der Markt weiterentwickelt.
CF: Vielen Dank, dass wir das Rad testen durften und ihr all unsere Fragen beantwortet habt!
WM: Gern geschehen. Durch die Testfahrer haben wir schon Feedback und Testergebnisse erhalten. Eine solch komplexe Anlage ist im Rutschenbereich auch für uns Neuland und stellt für uns eine besondere Herausforderung dar. Durch die neutralen Tester sind auch wir davon überzeugt, dass das Slidewheel den späteren Gästen der Wasserparks viel Freude bereiten wird.
Erfahrungsbericht:
Wie sieht der Testaufbau aus?
Bevor ich auf das Erlebnis eingehe, will ich euch den Testaufbau erklären.
Das Rad steht auf dem Betriebshof von Gerstlauer, dort wurden auf beiden Seiten des Rades temporäre Gerüstkonstruktionen aufgestellt auf denen das Förderband auf der Startseite, sowie ein kleines Landebecken mit Wassertank auf der anderen Seite, platziert wurden.
Links befindet sich das Landebecken, rechts das Startförderband
Der Reifen wurden extra für das Rad entwickelt und bietet viele Haltemöglichkeiten sowie eine feste Einteilung der Sitzbereiche
Der Reifen wird beim Testaufbau per Kran zurück zur Startseite befördert
Dort wurde der Reifen auf dem vorderen Laufband abgestellt und bis zur Lichtschranke nach vorne gefahren
Zusammen mit einem Schwall Wasser geht es dann über eine Rollenbahn am Ende des Förderbandes in die Röhre
Eine halbe Umdrehung später geht es dann zum ersten Mal abwärts!
Auf der anderen Seite landet man dann im Landebecken. Die Testrutscher wurden hier noch beim Ausstieg unterstützt, später schließt sich dort eine Rückführstrecke oder ein Abwärtspart an...
Benny und ich mit den Betreibern der Seite tuberides.de, die die Anlage ebenfalls testen und filmen durften.
Warum sind auf den Bildern alle Rutscher mit Helm und Rückenprotektor ausgestattet?
Keine Angst, da es sich bei der Rutsche um den Prototyp handelt und man momentan noch am Finetunig arbeitet mussten alle Testrutscher, Helme und Rückenprotektoren tragen. Diese wird es beim späteren Betrieb der Rutsche nicht mehr geben und waren nur für den Fall der Fälle gedacht. Es war also eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Benny kurz vor unserer Testfahrt vor der gigantischen Konstruktion:
Wie fühlt sich eine Fahrt mit der Rutsche an?
Wir waren uns nach der Fahrt einig, dass die Rutsche ein völlig neues Erlebnis bietet. Die Passagen sind durch die Drehbewegung total abwechslungsreich. Die Drehbewegung selbst nimmt man innerhalb des Rades gar nicht bewusst wahr. Man wundert sich nur, dass man auf einmal langamer wird, Sekunden später startet dann die nächste wilde Abfahrt und man rauscht in das mit eingeleitete Wasser. Besonders der lilane Abschnitt wusste zu begeistern und hat alle Insassen des Reifens durchnässt. Obwohl beim gestrigen Test aus Sicherheitsgründen mit nur 1,5 Umdrehungen pro Minute gefahren wurde, wusste das Rad zu begeistern.
Ein Video des Slidewheels in Aktion findet ihr auf unserer Facebookseite:
--->Link zum Video<---
Das wichtigste zum Schluss: Hat sich der ganze Aufwand gelohnt?
JA, das Slidewheel ist nicht nur optisch ein richtiger Hingucker, der schon aus weiter Entfernung alle Blicke auf sich zieht, sondern überzeugt auch durch eine sehr abwechlungsreiche Fahrt. Mit der vorgesehen Beleuchtung wird das Rad später nicht nur tagsüber, sondern vor allem in der Dämmerung zu einem richtigen Blickfang!
Weitere Infos zum Projekt in China findet ihr in unserem Forenthread:
2018 Neuheit: Whirling Water Slide (Slide Wheel, Wiegand) @ Chimelong Waterpark
Wir bedanken uns auf diesem Wege nochmal recht Herzlich für die Einladung und das Interview und wünschen der Firma wiegand.maelzer viel Erfolg beim Vertrieb dieses spektakulären Konzepts!
Falls ihr noch weitere Fragen habt könnt ihr diese gerne im Forenthread stellen. Wir versuchen dann zeitnah darauf zu antworten/die Antwort in Erfarung zu bringen.